(c) Anja Mutschler, 2021
Fetzen
2. UG, Flur hinten links, da liegt die
Erinnerung in zugeklebten Laden, von A bis
L nur
der Rest ging verloren und schwebt als Staubpartikel
im nördlichen Flügel ich kann sie
riechen
obwohl sie gar nicht mir gehört.
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Treppenhaus
Hier links, dann rechts und nochmal gerade
aus ich stehe vor dem Pasternoster er fällt
hinein in seine eigene Vergangenheit nur ein Seil
hält
mich ab, mit hinein zu stürzen auf halber Treppe
stehengeblieben ich eile wieder hinauf, habe aber
vergessen
wo links ist und wo rechts und
kein Mensch weiß, wohin, sie sehen so alt aus
wie die abgeschabten Wände an denen Fenster kleben
die mein Auge hinaus, aber nicht in die Gegenwart führen
Fassade von damals
Staublunge von damals
steht
Nur ich, heute, falle hinab ohne über Los zu gehen.
Der Pasternoster fährt wieder.
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Badewanne
Dunkles Baden, die Leuchte haucht den letzten Atem
energie-ungewendeten Lichts
kein Schaum bleibt stehen auf gesprungenen Fliesen
die Keramik verrät nicht ob jemand einst
unterging
oder wieder ertrinken wird im Schall des ablaufenden Wassers.
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Staub
Ordentlich gestapelter Staub als Zollstock der Erinnerungen die zu haben
ich habe
obwohl ich nicht dabei war bohrt die gewienerte Überwachungsübereinkunft sich
in meinen rechten Zeigefinger und
wandert von dort in mein Herz, in dem
unbeobachtet
die Freiheit der Menschheit
erdolcht wurde, vor vielen Jahrtausenden
und doch ist der Schmerz immer neu.
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