die bunten wogen ölen hoffnung, gemeinsam gehen wir auf die dörfer, wir hören zu, wir widersprechen, wir haken uns ein und ziehen euch weg von den rohen, hämischen, kalten händen, löschen eure telegram-kanäle und legen neue zugänge, wir sprechen von solidarität und davon, dass die guten dinge immer länger dauern und ihr sagt, dass wir euch vergessen haben, und wir sehen uns an und sagen: wahrscheinlich stimmt das und: was können wir tun und ihr beginnt zu erzählen und wir widersprechen manchmal, denn demokratie ist kein konsumprodukt, aber wir müssen auch zugeben, dass wir uns nicht zuständig gefühlt haben und dachten, unsere wärme genüge auch für euch, aber euch ist kalt und immer wieder seht ihr euch um zu den freundlichen faschisten mit den einfachen botschaften, in den landstrich ohne dunkle hautfarbe, es kommt ja keiner mehr, genauso wie wir nicht kommen und manchmal verdrehen wir die augen, innerlich nur, weil die ängste, die ihr uns entgegenschallt, so einfach zu enttarnen wären, aber ihr seid noch nicht weg vom juicy feed, alles, was wir anzubieten haben, ist wirklichkeit und selbstveranwortung, aber eben auch das gefühl, nicht opfer zu sein und wir beginnen, bücher über drogenentzug zu lesen, und wo wir standhaft und wo wir empathisch und wo wir vorbild sein sollen, und es wird etwas leichter mit euch und uns, denn immer noch stehen wir uns gegenüber und hinter euch, wir sehen sie in euren augen, wartet die armada von hetze und hass, sirenen des untergangs, und wir bieten euch an, die wirklichkeit anzuerkennen, in all dem, was sie ist und sein kann, und wir sagen euch, dass ihr natürlich gestalten könnt, niemand würde euch aufhalten in einer demokratie, engagement klingt in euren augen so anstrengend und ihr bockt. aber wir bleiben da.
Beobachtungen
Emotionsverräter
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Druck im Kessel
Zwischen gesund und tot liegt
im falschen Moment auf die Straße gegangen sein,
ein Flugzeug, das vom Himmel fällt
sich selbst fremd sein.
–
Zwischen gesund und tot liegt
der trübe Blick deiner Ärztin
ein falsches Date
eine Kettensäge.
–
Zwischen gesund und tot liegt
die Zigarette gegen alle Wahrscheinlichkeiten
Sehnsucht nach dem Falschen
Angst vor der eigenen Courage.
–
Zwischen gesund und tot liegt
aus einer Krebsfamilie kommen
aus einer neurotischen Familie kommen
aus gar keiner Familie kommen.
–
Zwischen gesund und tot liegt
ein Stein, der dich zum Abgrund zieht
ein Amoklauf
immer nur auf sich zu hören.
————————-
(c) Anja Mutschler, im November 2023
Don’t de-humanize!
Das Schöne an den Menschen ist
ihre
Fähigkeit, zu verzeihen. Einfach so. Weil die Zeit gekommen ist, weil wir
der Angelegenheit
einen weiteren Gedanken schenkten oder
sie irgendwann vergaßen.
Ausgeschlossen von dieser Routine des freien Geistes sind
„Bluts“verwandte
Nationalisten
Eiferer und andere, die vergessen haben,
ihren Gedanken in alle Richtungen zu
folgen.
Die Unbeschwerde eines neuen Tages kennen sie nicht. Auch nicht die Freude der Wiedervereinigung. Oder die Erleichterung der Einsicht.
Es ist schwer, sich mit einem Rache-Roboter zu einigen. Es ist unmöglich zwischen zwei Rache-Robotern. Rache ist
heiß,
sie ist süß und sie macht blind.
Der Sieg (über etwas oder jemanden) gilt als Gipfel der Menschheit. Mir scheint: das Ringen, nicht siegen zu müssen, ist der wahre
Triumph.
Don’t de-humanize!
—
Leipzig, im Oktober 2023 (c) Anja Mutschler
Dorfallüren (1)
Ich war 3 oder 4 und die Welt
war mein,
der Kuhstall, in dem wir Zunge aßen,
duftete nach Kälbern und die Bauernfamilie
liebte mich, ohne nachzufragen.
Ich war 3 oder 4 und ständig
auf Achse,
der Bus, der um die Welt fuhr,
nahm mich öfter mit und setzte mich
erst spät zu Hause aus.
Ich war 3 oder 4 und unser Garten
hieß Eden,
zumindest begann am Rand, wo wir
spielten, die fremde Welt
aus Tannen, die mir in die Träume schlüpfte.
Ich bin 4 und 4 und suche sonntags
Kuhdungduft, Horizont und Äpfelbäume.
Das pittoreske Haus trägt Fliegengitter. Als ich
nach dem Weg frage,
antworten sie kaum.
Kleinpösna/Leipzig, 13.08.2023
Reise mit Rucksack
Soll man in harten Zeiten reisen? Oder zu Hause bleiben? Reisen. Reisen. Reisen. Ich werde immer fürs Reisen votieren. Und wenn ich dann im Alltag verzichten muss – egal. Nichts bringt mich näher an mein Selbst als Reisen.
Der Trip: Leipzig – Warschau – Riga – Tallinn – Helsinki – Oulu – Helsinki – Travemünde – Leipzig
Die Fahrmittel: Zug, Bus, Schiff [Interrail]
Die Beteiligten: Die 44-jährige Mutter mit vielen Gedanken im Kopf, wie immer provokant optimistisch, für ihre Verhältnisse innerlich aufgeräumt, was sich auch in einer ziemlich professionellen Reiseplanung äußert, der frischgebackene Abiturient, der dem alten Leben entfliehen will, und mit fast 19 wieder anfängt Bücher zu lesen statt zu daddeln (bei Kindern niemals die Hoffnung aufgeben!!!) und der in Helsinki gen Oslo fliegen wird zu seinem Jungmann-Trip auf der Suche nach Lachsen (bislang haben sie nur Kirschen gefunden). Dazu die süße 16-Jährige, deren Status mit dem Alter wohl hinreichend beschrieben ist (*Katzenfauchen*).
WeiterlesenWeiblich, misogyn – why???
Rüdiger und seine hohen Bücherregale, aus denen
drei Kinder fallen, wenn er
– Gin Tonic mit Gurke und Bambusstrohhalm –
in der Hand, den neuesten ZEIT-Bestseller ins Regal
und seine Geliebte einbe-stellt.
Seinetwegen?
WeiterlesenEndlos
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Scherbentext
Das Leben, wenn es alt genug ist, ist ein Scherbenhaufen. Oder ein Glascontainer, in dem donnernd die Form zerschellt. Wir fürchten das Neue, weil wir uns fragen, aus wie vielen Scherben es dieses Mal besteht. Nur zwei? Das ginge. Aber 2000? Nicht noch einmal.
Gibt es unwiederbringliches Glück? Ist man jung, fragt man sich das, in fester Erwartung, ein Nein zu hören. Nachdem man tausend Nächte den gleichen Traum hat, bei dem man immer an der gleichen Klippe zerschellt, ahnt man, dass es doch geht: falsch abzubiegen.
Wir werden zum Fakir unseres Schicksals, laufen nebeinander über Scherben. Wir versuchen, unsere Scherben nicht miteinander zu vergleichen. Wir bewundern die, die sich aus Scherben ein neues Haus bauen. Oder ein Fahrrad.
Wir werden alt, bis wir verstehen, dass unser Leben aus Scherben besteht, immer schon, dass Vergangenheit schmerzt, wenn sie gut war.
Aus uns fallen Gedanken, aber niemals Taten. Taten brauchen einen Ruck, eine Entscheidung, Gedanken nur unser Sehnen.
Was wir verwechseln: Wir denken, wir denken, wenn wir tun, und umgekehrt. Wir denken, wenn wir tun, tut es mehr weh, als wenn wir denken.
Es gibt keinen größeren Irrtum als den, dass man sich selbst nicht der größte Feind sei. Es gibt keinen größeren Feind als man selbst. Weil wir nur die Scherben zählen. Und nicht die Liebe, die sie verursacht hat.
Bild von dream.ai
Insel-Du(de)
Letzter Akt. Fata Morgana nennst du diese letzte Insel. Gerade erst bist du fast untergegangen, denn unter dem Weg zum Gipfel stapelte sich bloß das Meer.
Die Hoffnung des Menschen will nicht aufhören zu schlagen, also gehst du wieder los. Ein Aufziehmännchen auf dem Weg zum Untergang. „Lass dich nicht überraschen!“ „Lass dich überraschen!“ „Geh weg.“ „Bleib hier.“ „Geh doch, wohin der Pfeffer wächst.“ „Bleib bei dir.“ „Wer bist du?“ „Ich kann nicht denken.“ „Fühlst du mich?“ „Hier bin ich.“ „Ich bin nie da gewesen.“ Das Maschinengewehr der Gedanken erschlägt ihresgleichen.
Unversehens ein klarer Moment. Von deiner Fata Morgana aus siehst du Aurora auf dem Wasser schweben.
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