Kontaktanzeige


Würde ich eine Kontaktanzeige schreiben, in einer Zeitschrift aus Altpapier, lautete sie wie folgt:

Sie

schön, aber etwas rund,

klug, aber etwas sentimental,

kulturinteressiert, aber etwas banal,

gesund, aber etwas krank,

aktiv, aber im Prinzip lazy,

mag Tiere, aber nur draußen

mag arbeiten, aber mit Pausen

verbindlich, aber (supergern) crazy

Zwei große Kinder, noch nicht ganz erwachsen

mag Pflanzen, die aber bei ihr nicht wachsen

schreiben ist ihr Leben, kann aber auch Excel

eine Nomadin,

aber im Wechsel

mit der Präsenz der Wartenden, bin

ich auf der Suche nach dem anderen Ich,

das zärtlich

ist und bisweilen geduldig

wobei ich sagen muss, wenns klappte, wär mir gleich – tja –

mulmig.

P. S. schwimmen ja, joggen nein

(Erste Fragmente sind auch beim Schwimmen entstanden)

Scherbentext


Das Leben, wenn es alt genug ist, ist ein Scherbenhaufen. Oder ein Glascontainer, in dem donnernd die Form zerschellt. Wir fürchten das Neue, weil wir uns fragen, aus wie vielen Scherben es dieses Mal besteht. Nur zwei? Das ginge. Aber 2000? Nicht noch einmal.

Gibt es unwiederbringliches Glück? Ist man jung, fragt man sich das, in fester Erwartung, ein Nein zu hören. Nachdem man tausend Nächte den gleichen Traum hat, bei dem man immer an der gleichen Klippe zerschellt, ahnt man, dass es doch geht: falsch abzubiegen.

Wir werden zum Fakir unseres Schicksals, laufen nebeinander über Scherben. Wir versuchen, unsere Scherben nicht miteinander zu vergleichen. Wir bewundern die, die sich aus Scherben ein neues Haus bauen. Oder ein Fahrrad.

Wir werden alt, bis wir verstehen, dass unser Leben aus Scherben besteht, immer schon, dass Vergangenheit schmerzt, wenn sie gut war.

Aus uns fallen Gedanken, aber niemals Taten. Taten brauchen einen Ruck, eine Entscheidung, Gedanken nur unser Sehnen.

Was wir verwechseln: Wir denken, wir denken, wenn wir tun, und umgekehrt. Wir denken, wenn wir tun, tut es mehr weh, als wenn wir denken.

Es gibt keinen größeren Irrtum als den, dass man sich selbst nicht der größte Feind sei. Es gibt keinen größeren Feind als man selbst. Weil wir nur die Scherben zählen. Und nicht die Liebe, die sie verursacht hat.

Bild von dream.ai