Reise mit Rucksack


Soll man in harten Zeiten reisen? Oder zu Hause bleiben? Reisen. Reisen. Reisen. Ich werde immer fürs Reisen votieren. Und wenn ich dann im Alltag verzichten muss – egal. Nichts bringt mich näher an mein Selbst als Reisen.

Der Trip: Leipzig – Warschau – Riga – Tallinn – Helsinki – Oulu – Helsinki – Travemünde – Leipzig

Die Fahrmittel: Zug, Bus, Schiff [Interrail]

Die Beteiligten: Die 44-jährige Mutter mit vielen Gedanken im Kopf, wie immer provokant optimistisch, für ihre Verhältnisse innerlich aufgeräumt, was sich auch in einer ziemlich professionellen Reiseplanung äußert, der frischgebackene Abiturient, der dem alten Leben entfliehen will, und mit fast 19 wieder anfängt Bücher zu lesen statt zu daddeln (bei Kindern niemals die Hoffnung aufgeben!!!) und der in Helsinki gen Oslo fliegen wird zu seinem Jungmann-Trip auf der Suche nach Lachsen (bislang haben sie nur Kirschen gefunden). Dazu die süße 16-Jährige, deren Status mit dem Alter wohl hinreichend beschrieben ist (*Katzenfauchen*).

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Im Namen der Lüge, Michael Mutschler, 2020, Acryl auf Leinwand

Endlos


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Vorwärtsbewegung ins Nirgendwo / Es gibt nichts Gutes an einem Krieg


im März 2022 entstanden.

Brüder, die sich nun hassen müssen. Ein aufgeklappter Rechner, eine zerknüllte Wolldecke und eine Rakete, wo vor Stunden noch Menschen saßen. Der neue Staub wirft ihre Schatten auf das maschinengewebte Sofa. Hässlich-gelb quillt der Schaumstoff daraus, er ist aus Zynismus gemacht.

Es gibt nichts Gutes an einem Krieg.

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Kriegsgesellschaft


Keine Ahnung, aber: Sind wir nicht längst eine Kriegsgesellschaft? Definitionsvorschlag: eine Gesellschaft, deren Handeln auf die Abwehr akuter kriegerischer Handlungen orientiert ist, ist eine Kriegsgesellschaft.

Ich stelle mir vor, wie die Kriegsgesellschaft im Zweiten Weltkrieg aussah. Auch dort herrschte an Ort A so etwas wie Alltag, während in Ort B Bomben fielen. Ich spreche hier nicht von Politik sondern von der seelischen Begleitmusik jeden Tages, an dem wir aufstehen, unsere Arbeiten verrichten und wieder schlafen gehen. Jener Ort B liegt derzeit außerhalb unseres Territoriums, aber die räumliche Nähe, ich habe darüber schon gesprochen (20blue hour #12, Es gibt Nichts Gutes an einem Krieg), die geistige Nähe dieser Menschen, die noch vor ein paar Monaten ein Leben führte, lässt mich und viele, mit denen ich spreche, die Not spüren. Die Ukraine, das sind unsere Nachbarn: wenn es ihnen nicht gut geht, spätestens dann, sind sie nicht mehr irgendwer.

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Versuche, über den Krieg zu sprechen (1)


13-3-2022 19-20 Uhr – Transkript des ersten Intro-Versuchs, korrigiert und ergänzt

Es gibt nichts Gutes an einem Krieg. Im Grunde ist dieser Podcast damit schon zu Ende. Denn über alles, über das ich jetzt sprechen werde in der kommenden blauen Stunde, 20blue hour. Über alles, das ich sprechen kann, möchte ich gar nicht sprechen. Der 24. Februar 2022 ist [00:00:30] für viele ein einschneidendes Erlebnis. Eines ohne Vergleich. Aber für dienjenigen, über die wir sprechen, Und die fliehenden, die sterbenden, die traumatisierten Personen, Personen, die fliehen, auch nach Deutschland, die wir in Deutschland willkommen heißen wollen. Zum Glück. DMenschen, die [00:01:00] aber besser gar nicht weggehen wollten sollten: Diesen Personen hilft kein Podcast. Warum habe ich mich trotzdem dafür entschieden? Na ja. Wir sind alle unseren Möglichkeiten unterworfen. Wir sind alle dem Leben [00:01:30] unterworfen. Auch meines geht weiter. Der Podcast ist ein fester Teil davon. Nichts dazu zu sagen – das kann ich nicht. Dieser Krieg legt sich in alle Ritzen meines Denken und Handelns.

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Krieg: Lähmung


Rennen wollen, aber nicht wissen wohin. Ausschalten wollen, aber nicht wissen, was sonst einschalten. Reden wollen, aber nicht wissen, worüber noch. Lesen wollen, aber nicht wissen, wie man die Gedanken einfängt. Schlafen wollen.

Helfen wollen, aber nicht wissen, wie.

(c) Anja Mutschler, 13.3.2022

Bild: Michael Mutschler, 2015, „Ein letztes Leben“, Acryl auf Leinwand

Ich und Du im Krieg


Die Phase der Differenzierung hat begonnen.

Ich bin irgendwie froh, weil mir Militärstrategien nichts sagen, denn

es

gibt

nichts Gutes

an einem Krieg.

Diese Art von Krieg auch noch, der tollkühn, hannibalhaft rüberkommen soll und wie eine Persiflage eines Kriegsfilmes umgesetzt wird.

Indes: die Opfer sind echt. Tot. Traumatisiert.

Es sind Ich und Du, die nach einem sonnigen Tag in der klirrend kalten Apokalypse aufwachen, keine Pause, Stop, Nochmal. Kein Film.

Dummheit und Zufall können jetzt alles entscheiden, auch den ultimativen Krieg. Aber wahrscheinlich war das schon immer so. Wenn ich mir die Militärstrategen so ansehe, sind die auf alle Fälle aus einem anderen Film.

Ständig diese Ungleichzeitigkeiten. Diese Art Krieg in Europa? Welche Worte wir jetzt wieder aus einer staubigen Kiste holen, plötzlich wieder mit Bedeutung: Natofall. Bodentruppen. Artellerie. Schreibt man das so? Sind unsere demokratischen Gesellschaften nicht längst in einer ganz anderen Zeit/Sinn/Seinzone angelangt?

Sterben fürs Vaterland. Ey, wieso Vater???

Blutszoll macht auch nicht mehr so richtig Sinn, der alte Spruch: Frauen menstruieren, Männer ziehen in den Krieg, wirft mehr Fragen auf als Antworten.

Dieser ganze Akt, die Vergewaltigung Europas (hey, Zeus) ist so alt, ein widerliches Aufbäumen einer alten Welt, in der der Zynische, der Gewaltvolle, der Absolute Recht bekommt. (Fußnote: Über das Kuschen werden wir sprechen, Deutschlands Gedächtnis und Schmerz bieten keine Lösung. Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut. Die erste Generation, die zivilen Ungehorsam verstanden hat.)

Die „Zivilist:innen“ auf alle Fälle sind Lichtjahre weiter.

„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, wird zu: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner weiß, wie das geht.“

(c) Anja Mutschler, 11.3.2022

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