Mauern


Deine Mauern sind dick wie ein Extraleben. Mehrfach schon habe ich den Meißel angesetzt. Du wehrst ihn lässig ab, hast es längst erwartet. Dein Lächeln ist dein Tor zur Seele, deine Mundwinkel steuern den Zutritt. Nun halte ich das Steigbügel in den Händen,  aber ich zeige es dir, denn reden können wir über alles. Du seufzt und sagst, ich weiß, und zeigst mir die Route. Das Ende sehe ich nicht, Nebel schwimmt um dein Gemüt. Ich lege das Gerät beiseite und behalte meinen BH an.

Weiblich, misogyn – why???


Rüdiger und seine hohen Bücherregale, aus denen

drei Kinder fallen, wenn er

– Gin Tonic mit Gurke und Bambusstrohhalm –

in der Hand, den neuesten ZEIT-Bestseller ins Regal

und seine Geliebte einbe-stellt.

Seinetwegen?

Weiterlesen

Schweigen II


(c) Michael Mutschler, 1994.

Heiraten, hörte ich eine Frauenstimme fragen. Ihr wollt heiraten? Das Fragezeichen fällt fast hörbar auf den Tisch, der zwischen ihnen steht. Ich sitze im Zug und fahre nach Berlin. Gerade passieren wir einen Stausee, von dem ich mir jedes Mal vornehme, nachzusehen, wie er heißt und warum es ihn dort gibt. Nachdem man eine halbe Stunde an platten Felder vorbeigefahren ist – die man ignorieren muss, möchte man in Berlin noch einigermaßen wohlgemut aus dem Wagon steigen – ist dieser glitzernde, blaue, weite See, der immer in der Sonne zu liegen scheint, eine Irritation. Eine wohltuende Erscheinung, aber so erstaunlich wie ein fröhlicher Vater morgens im Kindergarten. Ja, höre ich die andere sagen, ihre Stimme ist tiefer, angenehm und ich stelle mir vor, dass sie dunkles, schönes Haar hat und einen herbstroten Lippenstift trägt. Wir heiraten!

Abonnieren, um weiterzulesen

Schließe ein Abonnement ab, um Zugriff auf den Rest dieses Beitrags und weitere exklusive Inhalte für Abonnenten zu erhalten.